Geschichte Venezuelas

Geschichte Venezuelas

Präkolumbianische Zeit

Die ersten Spuren menschlicher Besiedlung auf heutigem venezolanischem Gebiet gehen auf 13.000 bis 15.000 vor Chr zurück. Danach klassifizieren Archäologen eine mesoindische Periode zwischen 7.000 und 1.000 v. Chr., in der die Großwildjäger (die unter anderem Glyptodone, Toxodone und Säbelzahntiger jagten) anfingen, sich in Stämmen zu organisieren.

Ab 1.000 v. Chr. beginnt die neuindische Epoche. Die indigene Bevölkerung jener Zeit baute Hütten aus Lehm und Stroh und betrieb Handel mit Kakao und Tieren. Zudem baute die Mehrheit der neuindischen Urbevölkerung Nutzpflanzen an. Aus dieser Zeit stammt auch die Aufteilung der Kultivierung von Mais im Westen und Maniok im Osten. Ton wurde für viele Alltagsgegenstände verwendet, aber auch für Faustkeile, Jagdinstrumente und zeremonielle Objekte.

Die neuindische Periode endet mit dem Kontakt durch die Europäer, ab 1500 beginnt die indohispanische Periode, die bis in die heutige Zeit andauert.

Kolumbus und die Bezeichnung Venezuela: „Klein Venedig“?

Am 3. August 1498 entdeckte Christoph Kolumbus auf seiner dritten Reise das venezolanische Festland. Es handelte sich um die Küste von Paria, die er als “Land der Anmut” (“Tierra de Gracia”) bezeichnete.

Ein Jahr später, am 24. August 1499, entdeckte Alonso de Ojeda in Begleitung von Américo Vespucio, Juan de la Cosa und dem Geografen Martín Fernández de Enciso den Maracaibo-See.

In der Literatur ist vielfach erwähnt worden, dass der Italiener Américo Vespucio die Pfahlbauten auf dem Maracaibo-See mit den ebenfalls auf dem Wasser errichteten Häusern in Venedig verglich und das Gebiet als “kleines Venedig” (Venezuela) bezeichnete.

Im Gegensatz dazu erklärt Fernández de Enciso, Augenzeuge der Entdeckung, in seiner 1519 veröffentlichten Schrift “Summa de Geografía” die Namensgebung folgendermaßen: “…in Landnähe befindet sich ein großer Stein, der flach aus dem Wasser ragt. Und auf diesem gibt es eine Ortschaft oder Hütten der Indios, die sich Veneciuela nennt…”. Demnach ist Venezuela ein Eigenname und kein Diminuitiv von Venedig.

Die Provinz von Venezuela

Die Provinz von Venezuela bzw. Caracas stand bis zum Jahr 1718 immer unter Herrschaft der Königlichen Audienz von Santo Domingo, die sich auf der heutigen Dominikanischen Republik befand. 1742 ordnete die neue borbonische Regierung in Spanien das Gebiet dem kürzlich geschaffenem Vizekönigreich von Neu-Granada zu.

Dreißig Jahre später wurden weitere, dem Vizekönigreich von Neu-Granada und der Krone Españolas unterstehende Provinzen zusammengefasst, um die Kapitänshauptverwaltung von Venezuela (Capitanía General de Venezuela) zu schaffen. Im September 1777 wurde Santiago de León de Caracas per königlichem Erlaß durch Carlos III von Spanien zur Hauptstadt ernannt.

Der Aufgabenbereich der Kapitänshauptverwaltung umfasste politische, militärische und wirtschaftliche Angelegenheiten aller Provinzen, in juristischen Dingen unterstanden diese jedoch weiterhin der Königlichen Audienz von Santo Domingo sowie den direkt von der spanischen Krone ernannten Gouverneuren.

Die Ernennung Caracas’ zum zentralen Regierungssitz und Wohnsitz des Gouverneurs, in dessen wirtschaftlichem Einflussbereich zudem noch viele andere Gouverneursgebiete wie Nueva Andalucía, Mérida oder Guayana lagen, führte letztlich zur Integration aller auf venezolanischem Gebiet befindlichen Provinzen und Statthaltergebiete.

Die Unabhängigkeit Venezuelas

In Caracas wurde am 19. April 1810 der Generalkapitän Vicente Emparán von einer Ratsversammlung (Junta) von Honoratioren abgesetzt, die die Regierung übernahm. Diese Maßnahme war der erste Schritt zur Selbstbestimmung und damit begann die venezolanische Revolution. Obwohl an diesem Tag noch nicht die Unabhängigkeit ausgerufen wurde, ist dies heute – neben dem 5. Juli – der Nationalfeiertag Venezuelas. Am 2. März 1811 wurde der erste Kongress eingerichtet, der ein Triumvirat ernannte. Diese erste Republik scheiterte jedoch aufgrund der monarchistischen Reaktion.

Simón Bolívar – Freiheitskämpfer Südamerikas

Der Freiheitskämpfer Simón Bolívar hat mit seinem Streben, die Unabhängigkeit der südamerikanischen Völker zu erreichen, die Geschichte Venezuelas entscheidend geprägt.

Bolívar wurde als Spross einer aristokratischen kreolischen Familie geboren, die große Ländereien und viele Viehherden besaß. Mit drei Jahren verlor er seinen Vater, als er neun war, starb auch seine Mutter. Von da an wuchs er unter Obhut von José Sanz auf, einem Juristen, der sich um Bolívars Bildung kümmerte. Unter seinen Lehrern übte vor allem Simón Rodríguez entscheidenden Einfluss auf ihn aus. Rodríguez war ein aufgeklärter Mann, der sich die Ideen von Rousseau und der Französischen Revolution zu eigen gemacht hatte und viele Jahre lang als Bolívars Lehrer fungierte.

Auf seinen Reisen zwischen Europa, den karibischen Inseln und Amerika vereinte Bolívar eine Reihe rebellischer Kämpfer hinter sich, schmied Feldzüge und Schlachten gegen das spanische Imperium, um ganz Südamerika zu befreien und eine einzige Nation zu schaffen, genannt Großkolumbien.

Der Kampf war keineswegs einfach und von vielfachem Verrat und Krankheiten begleitet. Das Wichtigste ist jedoch, dass er auf seinen Reisen durch Südamerika zahlreiche Spuren hinterlassen hat, die sich im südamerikanischen Gedächtnis festgesetzt haben.

Fast alle Landeshauptstädte Venezuelas haben einen Bolívar-Platz; zudem gibt es Parks, Denkmäler, Ortschaften und Gemeinden, die seinen Namen tragen. Der größte Bundesstaat Venezuelas heißt ebenfalls Bolívar. Auch die Währung wurde nach ihm benannt. Und auch alle ehemals unter spanischer Kolonialherrschaft stehenden südamerikanischen Länder haben wichtige Städte, Plätze, Straßen oder Denkmäler nach dem Unabhängigkeitskämpfer Simón Bolívars benannt.

Die Republik von Bolívar

Simón Bolívar, geboren in Venezuela, war der  bedeutendste südamerikanische Freiheitskämpfer gegen die spanische Kolonialmacht. Er befand sich zu diesem Zeitpunkt im Exil in Neu-Granada , marschierte über San Antonio del Táchira in Venezuela ein und eroberte im sogenannten “bewundernswerten Feldzug” (“Campaña admirable”) am 6. August 1813 Caracas.

Das rabiate Auftreten des Spaniers José Tomás Rodríguez Boves, Anführer der monarchistischen Truppen, beendete das Bestreben der Patrioten, die neu installierte Regierung und die Reformen beizubehalten. Im Dezember 1814 ging auch die zweite Republik zu Ende und die Patrioten begaben sich erneut ins Exil.

Aus diesem zweiten Exil stammt der Brief von Jamaika (6. September 1815), dieses von Simón Bolívar verfasste prophetische Dokument. 1816 wurde er als Oberster Staatschef der Republik bestätigt und begab sich auf eine Expedition der karibischen Inseln, bevor er erneut nach Venezuela zurück kehrte. Mit der Eroberung von Angostura in der Schlacht von San Félix im Jahr 1817, wurde die Republik bestätigt.

Am 15. Februar 1819 wurde der Kongress von Angostura eingerichtet, bei dem Bolívar einen unterstützenden Diskurs hielt, bei dem er auch das auf einfachen Prinzipien der Freiheit und republikanischer Moral basierende Verfassungsprojekt vorstellte.

Anschliessend machte sich Bolívar auf den Weg in den Llanos und überquerte die Anden. Mit der Schlacht von Boyacá (7. August 1819) überraschte er die Monarchisten und befreite Neu-Granada. Die granadinischen und venezolanischen Truppen schlossen sich zusammen, erstmals wurde Venezuela von Spanien als einheitliches Land betrachtet und der Krieg als international anerkannt.

Im November 1820 unterzeichneten Simón Bolívar und Pablo Morillo in Santa Ana de Trujillo einen sechsmonatigen Waffenstillstand sowie einen Vertrag zur Kriegsregulierung. Durch die Eingliederung Maracaibos in den neuen unabhängigen Staat, wurde der Waffenstillstand jedoch wieder aufgehoben. Maracaibo beteiligte sich am Krieg, der am 24. Juni 1821 mit der Schlacht von Carabobo endete.

Die Schaffung des Venezolanischen Staates

Gegen Ende 1829 verbreiteten sich seperatistische Tendenzen, bereits im darauf folgenden Jahr wurde Venezuela zur unabhängigen Republik. Im gleichen Jahr noch, 1830, wurde die Verfassung verabschiedet. José Antonio Páez war der erste Präsident des neuen venezolanischen Staates. Die Hegemonie der republikanischen Präsidentschaft hielt bis zum 20. Januar 1855.

Manuel Felipe de Tovar wurde der erste frei gewählte Präsident (12. April 1860), trat aber bereits am 20. Mai 1861 zurück. Darauf folgten bis 1898 zahlreiche provisorische und konstitutionelle Regierungen, die unvollendet blieben oder aber entmachtet wurden.

Das 20. Jahrhundert in Venezuela

Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts ist durch unvollendete Regierungen, die Diktatur von General Juan Vicente Gómez, die sogenannte “neue Demokratie” sowie den präsidentiellen Sturz durch die von Rómulo Betancourt geführte Revolutionäre Regierungsjunta gekennzeichnet.

Am 15. Februar 1948 wurde der berühmte Schriftsteller und Politiker Rómulo Gallegos Freire als Präsident vereidigt. Wegen eines Militärputsches konnte er seine (zweite) Wahlperiode nicht vollenden. Marcos Pérez Jiménez, Mitglied der Militärjunta und seines Zeichens Verteidigungsminister, erkannte das Ergebnis der Wahlen von 1952 nicht an und übernahm als Diktator von 1953 bis zu seinem Sturz am 23. Januar 1958 die Macht.

Nach einer kurzen Übergangsregierung der neuen Junta, wurde im Februar 1959 Rómulo Betancourt zum neuen verfassungsgemäßen Präsidenten gewählt. Von da an begannen die demokratischen Präsidentschaften, die die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts dominieren.

Ab 1989, während der zweiten Regierungszeit von Carlos Andrés Pérez, herrschte eine große politische Instabilität, die zu zwei Putschversuchen im Jahr 1992 führten (am 4. Februar und am 27. November). Sein Mandat lief im Februar 1994 aus, blieb jedoch unvollendet.

Der Präsident vor Gericht

Das Mandat von Präsident Carlos Andrés Pérez verkürzte sich erheblich, weil er sich als erster Präsident in der Geschichte Venezuelas wegen des Verdachts der Veruntreuung und des Amtsmissbrauchs vor Gericht verantworten musste.

Das Gericht trat am 20. Mai 1993 zusammen und erklärte, dass es verfassungsgemäß Anhaltspunkte für ein Gerichtsverfahren gegen den Präsidenten gäbe und enthob Carlos Andrés Pérez von allen öffentlichen Ämtern.

Bei den Wahlen im Jahr 1993 wurde Rafael Caldera zum Präsidenten gewählt. Er trat sein Amt am 2. Februar 1994 für fünf Jahre an.

Zeitgleich verkündete Pérez, der seine zwei Jahre Hausarrest abgesessen hatte, wieder in die Politik einsteigen zu wollen. Im April 1998 ordnete der Oberste Gerichtshof zum Schutz des Öffentlichen Eigentums die erneute Festnahme von Carlos Andrés Pérez an und erhob Anklage wegen unrechtmäßiger Bereicherung aus öffentlichen Fonds und Überweisung der Gelder auf ausländische Bankkonten.

Präsident Hugo Chávez

Gewinner der Präsidentschaftswahlen von 1998 war Hugo Chávez, einer der in dem Putschversuch von 1992 gegen Carlos Andrés Pérez involvierten Offiziere, der es mittels einer kurzen nationalistischen und populistischen Wahlkampagne vermocht hatte, weite Teile der mit dem herrschenden politischen System unzufriedenen Bevölkerung hinter sich zu vereinen.

Unzufriedenheit herrschte über die Wechselfolge der traditionellen Parteien, die wachsende Korruption und vor allem die kritische wirtschaftliche Situation, die zu enormen sozialen Unterschieden und sogar zu großer Armut geführt hatte. Chavez’ Sofortmaßnahmen kurz nach der Wahl waren: Auflösung des Parlaments sowie Berufung einer Verfassunggebenden Versammlung, die ein neues Rechtssystem ausarbeitet.